Internationale Rally 1999 in Finnland

Bausenhagen, 25. Juli 1999, 09:30
Alle Wegweiser stehen in Richtung Finnland. Knapp zwei Wochen sind freigeschaufelt für Mensch und Maschine, INDIAN - feeling´s back! Joseph Gördes will mich auf der Tour begleiten. Finnland Fähre Die ersten Kilometer nach Norddeutschland wollen wir aus Zeit -und Einfahrgründen meiner Chief auf Josephs Hänger absolvieren. nach zwei Stunden Schweiss und öligen Händen stehen sie reichlich abgespeckt und abgespannt hinter uns auf dem Hänger.

Bornhöved, 25. Juli 1999, 16:00
Thomas Hell und Frau Doris begrüssen uns mit kühlen Getränken. Wir zerren die Maschinen von dem engen Gefährt und komplettieren sie wieder, eine Stunde später starten wir in Richtung Kiel. Es ist drückend warm und der Wind kühlt angenehm, im Kieler Fährhafen sehen wir schon die Stena-Fähre vor uns. Hinter uns steht Thomas mit Stromproblemen. Eine fliegende Sicherung macht Ärger., doch die silberne Chief läuft bald wieder und uns hält jetzt nichts mehr auf - Leinen los, wir fahren nach Finnland!

Göteborg, 26. Juli 1999, 9:00
Strahlender Sonnenschein, kristallklare Luft und ein gutgelaunter Leif Jostrand begrüssen uns drei am Kai. . Quer durch Västergötland treiben wir ostwärts auf kleinen Strassen. In kleinen Cafés in verschlafenen Dörfchen trinken wir Kaffee und essen kleine grüne Röllchen, Staubsauger genannt. Plötzlich führt der Weg abseits und wir finden uns auf einem Bauernhof zwischen Kuhställen wieder. Leif lächelt wissend und stellt uns Rune, seiner Frau Mira und Bruder Volker Finnland unterwegs vor. Nichtsahnend werden wir in einen unscheinbaren Schuppen geführt, wo neben einem spiessigen 190er Daimler ein riesiger Bentley aus den 50ern thront. Irres Gefühl, im Font sitzt man wie in einem holzvertäfelten Salon. Dann wirft Thomas zufällig einen Blick in den benachbarten Raum: "Schaut mal!" - uns verschlägt es glattweg die Sprache, als Rune das Licht einschaltet. Ca. 40 Maschinen in allen Restaurationsstadien stehen in Reih und Glied auf zwei Etagen. INDIAN, Ace, Cleveland, Super X, Thor, Henderson, auch Panther, Reading Standard, Brand X und ein deutsches Lohmann - Dieselfahrrad mit 18ccm - Motor führen uns durch ein gutes dreiviertel Jahrhundert Motorradgeschichte. Von irgendwo aus einer Ecke zieht Rune einen Pope - Motor. Unglaublich! Doch Leif drängt, er will heute noch nach Karlsborg. Unterwegs die obligatorische Schrauberstunde an Thomas´ Elektrik.

Karlsborg, 27. Juli 1999, 10:00
Frühstück im sonnigen Wintergarten des Kanal-Hotels. Die ersten Segler ziehen vorbei in Richtung Vättern. Wir starten unsere Maschinen und es beginnt eine wunderschöne Fahrt durch Västland. Kurz vor Västeras verlieren wir Josef fast, der uns am Strassenrand stehend übersieht, Thomas nimmt die Verfolgung auf und hat einige Mühe ihn einzuholen und zu zeigen, dass wir hinter ihm und nicht vor ihm sind. Wieder vereint führt uns Leif sicher durch die Stadt zu Bengt und Anja Larsson, die uns mit einem leckeren Barbecue erwarten. Aus Südschweden sind Bror und Jens mit Gespann angereist. Bis lange in die Nacht feiern wir unser Wiedersehen und warten immer noch auf Mücken...

Västeras, 28. Juli 1999, 9:30
Jürgen Hecker überrascht uns auf seiner Scout. Zusammen mit drei schwedischen Clubmitgliedern schliesst er sich unserer Gruppe an. Wir erreichen gegen 11:30 den Hafen Grisslehamn, wo gut zwanzig schwedische INDIANs bereits vor der Fähre warten. Sie nehmen uns in ihre Mitte und zusammen rollen wir auf das Schiff nach Åland. Kobba-Hoppers heisst der MC-Club dort, bei dem wir alle zu Gast sind. Martin Cromwell-Morgan, schwedisches Clubmitglied und Mitbesitzer des örtlichen Clubhauses, strahlt über das ganze Gesicht. So viele INDIANs hat die Insel noch nicht gesehen, denn er ist der einzige INDIAN-Fahrer auf Åland! Zusammen mit Rafael und Ulla Rienks, die sich hier als weitere deutsche Rallyteilnehmer uns anschliessen, überreichen wir ihm unser Gastgeschenk, eine Flasche INDIAN-Likör. Sofort findet sie einen Ehrenplatz in seiner Werkstatt. Finnland Pow Wow Interessant finde ich, dass hier in Schweden ein sehr aktives und enges Motorrad-Clubleben stattfindet und dieses bei der, sage ich mal, breiten Bevölkerung auf eine grosse Akzeptanz stösst. "Motorradfahrer sind hier bei uns keine Rocker," sagt Martin. Entsprechend harmonisch verbringen wir den Abend mit Barbecue und heimischem Koff-Bier.

Mariahamn, Åland, 29. Juli 1999, 10:00
Heute nehmen wir nur kleine Fähren. Die gelben kosten nichts, die anderen sehr wenig. Bei schönstem Wetter gleiten wir durch den faszinierenden Schärengarten und verstehen, was die Stockholmer in ihr "Naherholungsgebiet" zieht. Gegen abend erreichen wir Finnland. Noch 70 Kilometer, dann bauen wir unsere Tipis auf. Zusammen mit allen anderen sitzen wir in einer verqualmten Blockhütte bis zum frühen Morgen und singen, trinken und lachen. Trinksprüche wechseln von einer Nation zur anderen und wir spüren: Hier lebt Europa!

Pitkäjärvi, 30. Juli 1999, 10:00
Gemeinsames Frühstück in Somero, dann donnern über 30 INDIANs weiter nach Osten. Am frühen Nachmittag passieren wir Riihimäki und kurz darauf stehen wir vor Kai Virta in Lempivaara. Wir bevölkern in Windeseile den idyllischen Campingplatz mit Seen, Saunen und hübschen Blockhütten. Jeder sucht einen Platz im Schatten. Zum Überfluss kippe ich mit meiner vollbeladenen Chief um, der Seitenständer ist kaputt. Gröhlend ziehen mich die drei anderen unter dem Eisenhaufen wieder hervor. Spass muss sein... Jetzt treffen wir erstmal alte Bekannte Finnland belt drive und machen einen Rundgang. Die älteste Maschine ist eine Beltdrive Single von 1911. Sie hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, heute gehört sie dem finnischen Besitzer Timo Mäittälä. Er wird in der Winterausgabe unserer Zeitung die Geschichte dieser seltenen INDIAN erzählen. Dann nehmen wir noch ein Bad im See, irgendwie haben wir nämlich bei der Hitze keine Lust in die Sauna zu gehen und verbringen danach einen feuchtfröhlichen Willkommensabend beim obligatorischen Barbecue.

Lempivaara, 31. Juli 1999, 10:15
Die Ausfahrt: Wie immer ein imposantes Bild, die INDIAN-Horde setzt sich in Bewegung. Der donnernde Ölnebel zieht langsam durch´s Undenmaan Lääni. In Hyvinkää verlieren wir Deutsche den Rest der Meute, da wir Geld tanken müssen. Wir wollen eigentlich nur in einem Strassencafé nach dem Weg fragen, da sitzen wir schon zwischen Eingeborenen und lassen uns über die Motorräder ausfragen. Plötzlich springt einer auf und rennt zu seinem Auto. Ein Polizist will ihm gerade ein Knöllchen verpassen. Unsere Bikes stehen natürlich auch im Halteverbot. Ich erkläre dem Beamten, dass wir sofort wegführen, doch er schüttelt nur den Kopf: "Sie sind doch Ausländer und Finnen sind freundlich zu Ausländern. Bleiben sie also ruhig stehen!" Leicht irritiert wende ich mich wieder den anderen zu. Die haben sich bereits den Weg erklären lassen und wir fahren zurück zum Platz. Finnland Camp Wir müssen uns entscheiden, ob wir zum Speedway fahren, dessen Besuch für alle Teilnehmer der Rally kostenlos ist, oder in den See springen. Bei der Hitze entscheiden wir schnell für letzteres. Lachssuppe und Peter Pannar, ein traditionell finnisches Gericht, lassen wir uns danach schmecken. Josef ist im siebten Himmel. Seine erste INDIAN-Rally geniesst er in vollen Zügen. Mal sieht man ihn mit einer jungen Finnin hinten drauf die Strasse auf und abdonnern, dann steht er wieder mit einer Flasche Schinkenhäger da und erzählt den Schweden auf englisch von seiner (unserer) sauerländischen Heimat. (er kann gar kein englisch...!) Zwei Deutsche mit Chief und Four aus Rendsburg und Cuxhaven kommen noch spät an. Sie bekommen den Preis für die weiteste Anfahrt aus Baden-Württemberg über Estland: 3000 Kilometer. Ich habe die beiden nie gesehen, ich glaube, sie haben sich die ganze Zeit einfach nur ausgeschlafen. Kai Virta verteilt die Preise und Tony bedankt sich im Namen aller Teilnehmer für die bestens gelungene Rally. Oiling Boiling, ein alter Schulfreund von Kai ist mit seiner Band gekommen und zusammen mit Brown Sugar Dixon, einer rundlichen Dame aus Detroit heizt er den INDIANern richtig ein. Gegen drei Uhr fallen wir in die Schlafsäcke.

Lempivaara, 1. August 1999, 10:00
Beim Frühstück treffen wir Thomas Dengg und Wolfgang Stadler mit ihren Familien, Nick aus München kommt auch dazu. Wir gehen noch einmal über den Platz und verabschieden uns. Ca. zehn Händler, vorwiegend aus dem nördlichen Europa, sind gekommen. Genauso verhält sich der Schnitt der Finnland Chief 38 Teilnehmer. Insgesamt 123 Teilnehmer mit 73 INDIANs haben teilgenommen. Davon allein 38 INDIANs aus Schweden und 9 aus Finnland. Wenig Deutsche haben den Weg zur finnischen Rally gefunden. Viele regionale Treffen, relativ teure Fähren und die lange Anfahrt haben sicherlich viele abgeschreckt. Jetzt packen wir auf, schliessen uns Bengt und Anja an und rollen gemütlich nach Süden, wo wir am Spätnachmittag im Hafen von Helsinki eintreffen.

Helsinki, 1. August 1999, 17:00
Die beiden dicken Fähren liegen schon da, doch haben wir noch Zeit für einen Bummel und Imbiss auf dem Hafenmarkt. Ein buntes Völkchen treibt sich hier herum vor der schönen Kulisse der Altstadt. Gegen 19:00 legt unser Dampfer ab - ein Monsterschiff. Fünfzig Meter Galerie mit Restos und Geschäften und Galerie-Kabinenfenster im Bauch des Schiffes. Fast habe ich das Gefühl, am anderen Ende auf der Düsseldorfer Kö raus zukommen! Wir gehen an Deck und geniessen den Sonnenuntergang über den Schären.